domingo, 16 de diciembre de 2007

Kapitel 12

Senja blinzelte. Was war denn das? Doch bevor sie anfangen konnte, nachzudenken, sah sie, wie ein runzliger Finger sich ihrem Gesicht näherte. Er beschrieb vor ihren Augen einen Kreis. Er bewegte sich zu ihrem Kinn, berührte es kurz. Er näherte sich ihrer Stirn. Er fuhr langsam über die Stirn hinweg. Senja war das unangenehm. Sie drehte den Kopf zur Seite. Das Augenpaar, das so dicht vor ihr war, verdunkelte sich. Unwillig drehte Senja den Kopf wieder in die ursprüngliche Position. Was waren denn das bloß für Augen! Die Augen wurden wieder heller und der Finger beendete die Bewegung, die er begonnen hatte. Nun kam auch die zweite Hand dazu. Aber sie hielt etwas fest. Es war ein kleiner, grober Behälter aus Holz. Senja fragte sich, was er wohl beinhalten mochte. Sie erfuhr es schnell, denn ein Wasserschwall wurde über ihren Kopf geschüttet. Sie schrie erschrocken auf und prustete und rief: „Was tut Ihr da?“. Die alte Frau lachte vergnügt und ein weiteres Lachen kam aus dem hinteren Teil der Hütte. „Hetapo najan! Hetapo anihilota vegunji seha mai!“, rief die Frau beruhigend. Sie entfernte eine nasse Strähne aus Senjas Gesicht und drückte sie wieder zurück auf das Bett. Nun, das war ja sehr freundlich! Was hatte sie nur vor? Was tat sie da? Nun hatte die Frau den Wasserbehälter weggestellt und einen anderen Behälter in die Hand genommen. Auch dieser war aus Holz, doch etwas kleiner und etwas feiner gearbeitet. Kleine Figürchen waren auf die Seiten geschnitzt und die Frau schien ihn mit mehr Ehrfurcht zu behandeln. „Tana hepawma, Fidoha.“, sagte sie ernsthaft und blickte Senja in die Augen. Senja blickte verständnislos zurück. „ Tana hepawma, ai ko mela fusine.“, sagte die Frau. Sie schien auf etwas zu warten. Wollte sie eine Antwort hören? Wie konnte sie denn erwarten, dass sie, Senja, so ein Kauderwelsch verstehen sollte? Doch Senja wollte nicht unhöflich sein. „Ich verstehe Eure Sprache nicht, wisst Ihr?“, meinte sie, mit einem etwas ironischen Unterton. Wahrscheinlich verstand auch die Frau ihre Sprache nicht, sodass jeglicher Versuch einer Verständigung wohl sowieso einigermaßen sinnlos war. Doch die Frau sagte energisch: „Ne ka wam asu atopi. Sensa ne toha mal dabe na Zenha asi kum, kewama Tana, anontum kasechi nan! Tana hepawma!“ Fast schon ungehalten blickte das Augenpaar sie an. Was wollte diese Frau von ihr? Unentwegt sprach sie zu ihr. Senja wiederholte noch einmal: „Ich verstehe Euch nicht.“ Die Augen vor ihr verdunkelten sich wieder gefährlich. Senja erschrak etwas. Sie sprach noch einmal: „Verehrte Dame, ich weiß nicht was ihr sagt, Himmel, ich kann diese seltsame Sprache nicht sprechen. Ihr versteht doch auch nicht was ich sage, ist Euch nicht klar dass mir das auch so geht?“. Zwei Augenbrauen vor ihr zogen sich zusammen. Doch die Augen wurden etwas heller. Ganz, ganz deutlich sagte die alte Frau: „Ta-na he-paw-ma.“ War es ein Gruß? Eine Anweisung? Oder sollte sie es vielleicht wiederholen? Senja versuchte es: „Dana hebawma.“, sagte sie. Es klang irgendwie anders, wie sie es sagte, das hörte sie selbst. „Ta-na he-paw-ma .“, sprach die Frau wieder eindringlich. Senja unterdrückte einen Seufzer und versuchte es noch einmal: „Tana hebawma.“. Die Frau schien zufrieden zu sein, denn sie nickte und kleine Lachfältchen erschienen auf ihrem Gesicht. Sie begann zu summen und währenddessen mit einer Hand vor Senjas Gesicht herumzuwuseln. Immerhin berührte sie diesmal das Gesicht nicht. Und das mit dem Wasser hatte Senja ja auch schon hinter sich. Was konnte also noch Schlimmes kommen? Immer schneller wurden die Wirbel der Hand vor ihrem Gesicht, immer lauter und intensiver das Summen der tiefen Stimme. Die Hand drehte sich, sie wurde zur Faust geschlossen und öffnete sich wieder, die Finger fuhren an ihrem Gesicht vorbei wie die Speichen eines Rades, zwei Finger hüpften auf und ab, als seien sie Hasen und die flache Hand fuhr an ihr vorbei wie ein Vogel. Durch die tanzenden Schatten dunkler Finger fiel auf einmal ein feiner, gelber Staub auf ihr Gesicht. Er fiel in ihre Ohren, setzte sich auf ihre Augenlider, er drang in die Nasenlöcher ein und Senja musste niesen. Da brach das Summen ab. Senja wollte sich den Staub aus dem Gesicht wischen, doch sie wurde daran gehindert. Die Frau hielt ihre Arme fest. Senja gab den Versuch auf, die Arme zum Gesicht zu bewegen und der Griff der Frau verschwand. Vorsichtig öffnete Senjas die staubbedeckten Augen. Vor ihr stand strahlend die alte Frau. Senja hob fragend die Augenbrauen, bereute dies jedoch sofort, da durch die Bewegung Staub in ihr Auge fiel. Aber anscheinend war die Frau nun zufrieden. Durfte sie sich nun aufsetzen? Sie versuchte es. Und diesmal war es ihr erlaubt. Sie setzte sich auf das Bett, das offenbar aus einem Stapel Zweige bestand. Durch kleine Staubkaskaden hindurch, die immer wieder vor ihren Wimpern hinunterfielen, blickte sie auf die alte Frau. Diese lächelte immernoch und schaute Senja glücklich an. Dann schien ihr etwas einzufallen. Sie fasste sich lachend an den Kopf, bückte sich und hob einen Topf auf. Es war der dampfende Topf, den Senja schon vorher wahrgenommen hatte. Nun bemerkte sie auch, dass es gar angenehm aus ihm roch. Und als die Frau ihr den Topf entgegenstreckte, als Senja ihn nahm und entdeckte, dass sich eine Suppe darin befand, die kleine, kugelrunde Fleischbällchen und Möhrenstückchen enhielt, da hätte sie der Frau auch den kältesten Wasserschwall und den seltsamsten Staub verziehen. Da kein Löffel in dem Topf war, begann Senja, die Suppe direkt aus dem Topf zu schlürfen. Die Frau schien nichts dagegen zu haben. Den gelben Staub völlig ignorierend, der in die Suppe fiel, schluckte Senja die warme, gewürzte Suppenbrühe, sie genoss den Geschmack des Fleisches und der Zwiebeln, zerkaute genüsslich einige harte Möhrenstückchen. Erst als sie den Topf ganz geleert hatte, schaute sie auf, um der Frau zu danken. Doch da stand nicht mehr nur die alte Frau vor ihr. Die kleine Hütte war gefüllt mit Leuten, die sie neugierig ansahen. Erschrocken blickte Senja auf. Ein Mann sagte: „Fidoha hodule peto.“, und er lächelte dabei. „Fidoha hodule peto.“ sprach auch ein anderer. Ein kleines Mädchen wiederholte dieselben Worte. Und alle lächelten. Wie seltsam waren diese Menschen. Doch sie schienen freundlich zu sein. Senja beschloss, auch etwas zu sagen. „Danke.“, sagte sie. Das war auf jeden Fall schon mal gut. Aber eigentlich war es ja ganz egal was sie sagte, diese Leute verstanden sie sowieso nicht. Senja lächelte. Staub fiel von ihren Mundwinkeln. „Das ist alles sehr komisch hier, wisst Ihr. Aber ihr seid sehr freundlich. Würde ich eure Sprache sprechen, würde ich euch um mehr Suppe bitten, die war nämlich sehr lecker..“. Sie wollte noch weiter reden, doch da hatte ihr die alte Frau schon den Topf aus der Hand genommen. Sie trug ihn zu der Feuerstelle an der Hüttenwand, über der ein großer Topf hing, und schöpfte eine dampfende Flüssigkeit aus dem großen Topf in den kleinen. Mit einer neuen Portion wohlriechender Suppe kam sie zurück und hielt Senja strahlend den Topf hin. Senja ergriff ihn nicht. Entgeistert starrte sie die Frau an. „Versteht ihr denn was ich sage?“, fragte sie endlich. Die Frau lächelte und hielt ihr den Topf hin. Senja lächelte nicht. Was war denn da nun schon wieder? Aber dann gewann doch der Hunger über die Verwunderung und mit einem tiefen Atemzug nahm Senja den Topf in die Hand und stürzte sich auf die zweite Portion Suppe.

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