lunes, 23 de abril de 2007

Kapitel 3

ie las das Geschriebene. Sie las es noch einmal und noch einmal. Ihr Herzschlag pochte in den Ohren und ihre Gedanken rasten. Die Zeit der Dämmerung? Was war das? Und wer war Landomar? Und sie, sie selbst, sie, die sie nicht wusste, wer sie war, sie sollte diesem Landomar eine Nachricht überbringen? “Nimm die Route über die Berge, doch hüte Dich vor den Krähen!” - das war es, was sie tun sollte? Warum? Und wer hatte ihr diesen Zettel gegeben? Was bedeutete das alles? Brennend wünschte sie, sich an die Vergangenheit erinnern zu können. Doch sie konnte es nicht, sie konnte es nicht. Sie stand auf und schritt unruhig in der kleinen Hütte auf und ab. Sie sah aus dem Fenster hinaus und blickte auf die hohen, stolzen Berge, die sich vor ihr auftürmten. Graue, vom Regen noch nasse Felsen ragten steil in den Himmel auf, als ob sie allein die Idee verachten würden, dass ein sterbliches Wesen diese Höhen erklimmen könnte. Und selbst wenn sie es könnte, würde sie es denn wollen? Wer weiß, wer ihr diese Nachricht zugesteckt hatte. Vielleicht war es ein Lausbubenstreich gewesen, oder vielleicht war das, was auf dem Pergament stand, eine Lüge? Und sie würde es diesem Landomar sagen, er würde sich, in welcher Form auch immer, danach richten, es würde zu einem schlimmen Ende führen und sie trüge die Schuld? Doch so sehr sie über diese Möglichkeiten nachdachte, es gelang ihr nicht, daran zu glauben. Ob es eine versunkene Erinnerung in ihr war, die sie verschwommen wahrnehmen konnte, oder nur die schlichte, blinde Hoffnung darauf, dass sie eine Aufgabe und ein Ziel hätte – sie glaubte der Nachricht.

Wieder sah sie zu den Bergen auf. Kalte, doch regenfrische Luft wehte in ihre Nase, sie sog sie tief ein. Die aufgehende Sonne warf ein rötlich goldenes Licht auf die Steine und es schien ihr gar nicht mehr so unmöglich zu sein, diese Gipfel zu erreichen. Sie verstaute sorgfältig wieder ihre wenigen Habseligkeiten in ihren Taschen und trat aus der Hütte hinaus. Der alte Mann war dabei, seine Schafe zu melken. Seine buschigen weißen Haare schauten aus der Herde wollener Tiere heraus, als ob sie selbst zu einem Schaf gehörten. Auf die Lippen der jungen Frau, die sich selbst den Namen Senja gegeben hatte, stahl sich ein leises Lächeln. Sie trat zu dem Alten hin, bedankte sich noch einmal für seine Gastfreundschaft und meinte, sie wolle jetzt weiter. Mühsam richtete sich der Alte auf und sah sie langsam, etwas zweifelnd an. “Bist du sicher dass du da hoch willst?” fragte er. “Der Weg ist schwer und die Felsen mögen die Wanderer nicht.” Seine Worte ermutigten sie nicht. Doch sie hatte ihren Entschluss gefasst. Sie entgegnete, scheinbar frohen Mutes, es sei nicht das erste Mal dass sie die Berge überquerte. Es war ihm anzusehen dass er ihr nicht glaubte, doch sie versuchte, nicht darauf zu achten und machte sich auf den Weg. Sie spürte seinen mitleidigen Blick, als sie den Pfad entlang schritt. “Nimm nicht den Weg über die Felsbrücke, der lange Weg über das Gras ist sicherer.” rief er ihr hinterher. “Ich weiß.” gab sie zurück. Natürlich wusste sie es nicht. Sie hoffte, es gab nicht noch mehr Gefahren in diesen Bergen, vor denen er sie besser gewarnt hätte.

Als die Sonne den Himmel erklomm, wurde es wärmer. Fast war Senja versucht, den wollenen Umhang, den sie bei sich trug, fallen zu lassen um ohne ihn leichter zu wandern, doch es schien ihr nicht ratsam zu sein, das Wenige, das sie hatte, auch noch zu reduzieren. Gegen Mittag fand sie einige Pflanzen, von denen sie wusste, dass man ihre Wurzeln essen konnte und grub sie aus, um zumindest ein wenig Essen zu haben. Trinken konnte sie in den kalten Bergbächen, auf die sie immer wieder traf. Alles in allem fühlte sie sich gut, sie fühlte sich wichtig, denn sie trug eine Nachricht für Landomar mit sich. Sie stellte sich Landomar als einen prächtig gekleideten, gutaussehenden Ritter vor, der sie, nachdem er ihre Nachricht gelesen hätte, voller Dankbarkeit in seinem Schloss willkommen heißen würde, die Mühen ihrer Reise würdigend und auf ihre bescheidene Abwehr hin, sie habe doch nur ihre Pflicht getan, ihr nur noch mehr Ehren zukommen lassen würde. So in frohen Träumen weilend, wanderte Senja langsam, aber stetig, den Berg hinauf. Währenddessen wurden die Schatten länger, der Abend näherte sich. Der Himmel war heute den ganzen Tag tiefblau gewesen, es war, als habe der Regen von gestern alle Wolken fortgeweht. Senja schaute zum Horizont, doch nicht einmal ein kleines, weißes Wölkchen war zu sehen. Nur das reine Blau, das sich in der Ferne aufhellte und irgendwo mit dem Land verschmolz. Nein, das war nicht ganz richtig - in der Ferne, offenbar ganz weit oben, war ein kleiner schwarzer Fleck zu sehen. Sie fragte sich, was das wohl war. Es gab doch keine schwarzen Wolken am blauen Himmel, und ein Vogel konnte es auch nicht sein, dafür war es zu groß. Es sah aus, als habe sich jemand beim Feuermachen mit Ruß beschmiert. Sie stellte sich vor, wie diese Person dann, ohne den Ruß zu bemerken, Besuch empfing, der sie ganz merkwürdig ansah. Frohen Mutes stieg sie weiter bergan und begann, von den leckeren Pasteten und Erdbeertörtchen zu träumen, die sie an der Tafel von Ritter Landomar essen würde. Auch Rhabarberkuchen sah sie vor sich, luftig gebacken und so leicht wie diese Blätter, die da vor ihr auf dem Weg verweht wurden. Mehr Blätter wehten in einem Windstoß auf und Wind fuhr in ihre Haare. Es würde doch nicht jetzt, am Abend, noch schlechtes Wetter geben? Sie sah zum Himmel auf. Ihr Herz setzte aus und wie glühendes Eisen fuhr nacktes Entsetzen hinein! Pechschwarze Flügel durchwoben den Himmel, Schnäbel wie Dolchklingen kreischten ihren Hohn hinunter, Krallen zerfraßen die Luft, der Krähenschwarm verdunkelte das Licht. Von Angst zersetzt jagten ihre Beine den Hang hinauf, stolperten über Pflanzen, hetzten über Steine, flohen vor den schwarzen Flügelschlägen, vor dem höhnischen Kreischen, flogen in ein dunkles Loch hinein, in eine Höhle, in einen Hort. Sie kroch so tief sie konnte in die Höhle hinein und presste sich an die Wand. “Hüte dich vor den Krähen”, hallte eine Stimme in ihren Ohren wider. Sie wusste nicht, wem die Stimme gehörte, sie wusste auch nicht, ob das Krächzen vor der Höhle ihr galt, sie wusste auch nicht, warum die Krähen nicht in die Höhle hinein flogen. Schweißgebadet zitterte sie, eng an die kalte Höhlenwand geschmiegt. Es war ihr, als würde jedes einzelne Krächzen ihre Angst verlachen, sie verspotten. Doch langsam entfernte sich das Kreischen, wurde leiser, bis es schließlich verebbte. Immernoch zitternd saß sie da. Jetzt, wo sie in Gedanken noch einmal den Krähenschwarm vor sich sah, wurde ihr klar, dass er gar nicht so nah gewesen war wie es ihr geschienen hatte. Doch ihre Angst hatte einen anderen Eindruck erzeugt. Angst. Vor den Krähen. Bitter dachte sie, dass sie offenbar doch noch Erinnerungen in sich trug. Denn es war ganz offensichtlich nicht nur die Warnung auf dem Pergament gewesen, sie sie vor den Krähen hatte fliehen lassen. Sie kannte die Krähen, sie war ihnen schon einmal begegnet. So saß sie nun da, in der dunklen Höhle, und ihre Fröhlichkeit war verflogen. Sie traute sich nicht, die Höhle zu verlassen und wieder den hellen Pfad zu betreten, auf dem sie gesehen werden konnte. Sie fürchtete sich davor, ihrem Auftrag zu folgen. Sie ließ sich von der Schwärze, die sie umgab, einfangen, sank hinein in einen dunklen Ort der Einsamkeit und der Verzweiflung.

“Oooch, jo, die arme Kleine, die tut dem Dengeluck ja ganz arg leid, die haben die Krähen erschreckt, die bösen bösen Krähentierchen, joah..” ertönte eine spottende Stimme. Erschrocken fuhr Senja auf, stieß sich den Kopf an dem harten Fels, stieß einen Schmerzensschrei aus und rieb sich die Stirn. Hastig robbte sie in Richtung des Ausgangs, vor der Stimme fliehend, doch blieb wieder sitzen wo sie war, als sie an die Krähen dachte. “Hehe, jetzt weiß sie nich was sie machen soll, die Kleine, die Ärmste, weil sie hat Angst vor den Krähentierchen und auch vor dem Dengeluck, dem Üblen, dem Finstersten!” Bei diesen letzten beiden Worten wurde die sonst helle Stimme tiefer und ahmte eine Drohung nach. Perplex saß Senja da und wusste nicht, was sie denken sollte. Offenbar machte sich jemand über sie lustig. “Wer bist du?” rief sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme zitterte. “Ui, sie kann ja reden, die Verschreckte, die Ängstliche. Sie braucht aber gar keine Angst zu haben, der Dengeluck ist nämlich lieb, und fein, und nett, und tut gar nix...” Die Stimme näherte sich, zusammen mit einem leisen Tapsen. Senja wich zurück, zum Ausgang, es schien ihr draußen sicherer zu sein als hier drinnen mit diesem eigenartigen Wesen. “Hihi!” freute sich die Stimme. “Der Dengeluck macht besser Angst als schwarze Krähen. BUH!” Bei diesem plötzlichen Ruf zuckte Senja zusammen und schämte sich sogleich dafür. Das Wesen lachte laut auf und jubelte: “Uuuh, buuuuh, Angst hat sie vor dem Dengeluck, die kleine Menschin, sie hat Angst vor dem Dengeluck, hi!”. Wütend rief ihm Senja entgegen: “Ich habe überhaupt keine Angst vor dir, du.. du... du komisches Wesen!” und war sich aufgebracht darüber bewusst, dass ihre Stimme immer noch zitterte. “Nöö, nee, klar nich, natürlich hat sie keine Angst, sie is ja mutig, furrrchtlos. “Komisches Wesen” nennt sie den Dengeluck, oooh, da is er aber beleidigt jetzt, das findet er aber nich lieb, der Dengeluck.” kicherte die Stimme. Senja war durch ihr Zurückweichen am Ausgang der Höhle angekommen und richtete sich nun auf. Immer noch ängstlich, aber nun auch beleidigt wartete sie darauf, was wohl nun aus der Höhle heraus kommen mochte. Und als sie sah, was es war, ließ sie sich erstaunt auf einen Stein fallen und schaute verblüfft das Wesen an. Es war klein, so klein, dass es ihr vielleicht gerade bis zum Knie reichte. Aus einer seltsamen Komposition von Stofffetzen ragten moosgrüne Füße mit großen, knubbeligen Zehen heraus, moosgrüne Hände spielten mit einem Grashalm herum und in einem moosgrünen Kopf schauten riesige schwarze lachende Kugelaugen hinter einer wulstigen Nase hervor und wurden zum Teil von wirren dunkelgrünen Haaren bedeckt, die widerum von einem Blätterkranz gekrönt wurden. Das Wesen nahm spöttisch den Blätterkranz von seinem Kopf und machte eine Verbeugung. “Hi! Je, das ist der Dengeluck, zu Diensten der Verehrtesten, der gnädigsten Dame, der Huldvollsten! Oi oi, da guckt sie aber, die Kleine, hi, so hat sie sich den Dengeluck wohl nich vorgestellt, was?!” Senja wusste nicht, was sie sagen sollte. Das Wesen, Dengeluck, wie es sich nannte, verspottete sie zwar in einem Fort, aber sie konnte ihm doch nicht böse sein. Diese großen runden Augen sahen sie so fröhlich an, dass sie es gar nicht geschafft hätte, wütend zurück zu schauen. Sie versuchte aber dennoch, ihre Würde und Ernsthaftigkeit zu bewahren: “Ich...ah... grüße dich, Dengeluck. Mein Name ist... Senja und... und ich bin dabei, diese Berge zu überqueren.” Schnell fügte sie noch hinzu: “Ach, und wenn du dich gerade auf meine Flucht vor den Krähen bezogst... berücksichtige... dass ich meine Gründe hatte, mich vor ihnen zurück zu ziehen, die ich dir aber leider nicht mitteilen kann.” Dengeluck prustete laut auf: “Oh, ja, das versteht der schon, der Dengeluck, das mit den Gründen, die sie ihm nich sagen will, das is klar, das hat sie sich gut überlegt, dass sie weglaufen will und in der Höhle vom Dengeluck warten bis die Krähentierchen wieder weg sind, klar, hi, hihi, nee nee, hihi...”. Es folgten weitere Kichersalven, die Senja klar machten, dass sie ihn nicht überzeugt hatte. “Du weißt ja nichts...” brummte sie. Seine schwarzen lachenden Augen schauten sie an, klug, wie ihr schien. “Die Kleine kommt jetzt mit dem Dengeluck mit, er hat nämlich auch Höhlen in die sie reinpasst, hat er, he, jo, hat er...” sagte er in entschiedenem Ton, warf seinen Blätterkranz achtlos fort und schritt forsch auf seinen kurzen Beinen über die Steine. “OH! Eine Krähe!” rief er plötzlich. Senja zuckte zusammen, riss ihren Blick zum Himmel und sah – nichts. “Hiii! Hihii! Hee, hiii!” lachte Dengeluck los, hüpfte auf und ab und freute sich offenbar, sie wieder erschreckt zu haben. “Du blöder...!” rief Senja. “Oi, Helden sind furchtlos, Kleine, der Dengeluck bringt ihr bei, wie man furchtlos ist, BUH!” rief er und fuhr mit den Händen in die Luft. Senja schaut ihn beleidigt an. “Ha, kannste sehen, sie ist nich erschreckt, die Ängstliche, hat er ihr schon was beigebracht, toller Dengeluck, bravo, Dengeluck, ja, hi!”, kicherte er und stapfte weiter. Senja war wütend, amüsiert, aber vor allem verwirrt und fragte sich, ob sie ihm wirklich folgen sollte in diese “Höhle, in die sie reinpasste”.

3 comentarios:

Hannah dijo...

Nachdem es jetzt so lange gedauert hat, ist es dafuer auch ein bisschen mehr geworden.
Wie mach ich denn eigentlich die coolen Anfangsbuchstaben??

pikarl dijo...

boar hannah, voll toll deine fortsetzung. an das niveau komm ich doch NIEMALS ran!!! aber ich werds versuchen...

Hannah dijo...

Freut mich dass sie dir gefaellt :) Aber ich glaube, man findet immer das beeindruckender was andere geschrieben haben als das was man selbst schreibt.. Also sag nicht das kannst du nicht, stimmt naemlich nicht :)