lunes, 7 de mayo de 2007

Kapitel 6

chon als sie die erste Steigung erklomm, spürte sie, dass hier auf dieser hohen Felsbrücke der Bergwind kälter und rauer pfiff als auf dem sicheren Pfad. Zerzauste Haare wehten ihr vor die Augen und erschwerten ihre Sicht. Unsicher tasteten ihre Hände auf den Felsen, um Halt zu finden, und sie begannen im Wind zu frieren. Vor sich sah sie den Dengeluck eilig und behend klettern. Als er ihr schon weit voraus war, sah er zurück und bemerkte, dass sie sehr langsam nachkam. Er kletterte ein Stück zurück und rief ihr zu: “Ho, keine Angst haben, Senja, der Weg ist gut, er lässt dich nicht fallen, he, nein, komm nur, Vertrauen sollst du haben zu den Steinen, sie sind dir besser gesonnen als die schwarzen Wolken über dir, sind sie.”. Doch Senja konnte nicht so schnell klettern wie das grüne Bergwesen und sie wollte es auch nicht versuchen, denn der Abgrund unter ihr gähnte wie ein großer Schlund und sie spürte die gefährliche Anziehung der Tiefe. Als sie versehentlich einen Stein lostrat, der nach unten fiel, sah sie ihm unwillkürlich nach und hielt die Luft an als sie beobachtete, wie lange er fiel, bis er sich schließlich, nach einer Ewigkeit, im Dunkel der Schlucht verlor.

Die Brücke wurde wieder ebener und Senja musste nicht mehr klettern, sondern konnte auf zwei Beinen gehen. Unsicher setzte sie einen Fuß vor den anderen, während Windböen an ihr rüttelten und eine Handbreit neben ihr schon der Abgrund klaffte. Unter sich sah sie, weit entfernt wie ein vager Traum, den großen Fluss, wie er weiß und wild duch das dunkle Tal stürzte. Er füllte den ganzen Grund aus, nur wenige grüne Flecken waren an seinen Ufern zu sehen. Senja blickte nach vorne und die andere Seite der Brücke schien noch immer unerreichbar weit entfernt zu sein. Doch zu ihrer Rechten, hoch über ihr, bäumten sich die tiefschwarzen Wolken auf, unbeugsam und bedrohlich. Plötzlich ließ ein Gedanken sie zusammen fahren. Sie blieb stehen. “Dengeluck, hör!” rief sie gegen den Wind an. “Und wenn die Krähen kommen?”. “Dann laufen wir davon! Hi! Ho! Komm weiter, furchtsame Heldin!” schrie er zurück. Doch seine Stimme klang nicht fröhlich. Er hatte wohl schon denselben Gedanken gehabt. Noch nervöser als vorher fühlte sie sich, als sie weiterschritt. Wieder kam eine Steigung, die sie heraufklettern mussten. Und wieder war der Dengeluck schneller als sie, stieg gewandt die grauen Felsen empor. Als sich auch Senja bis nach oben gekämpft hatte, blieb sie dort schwer atmend auf einem Stein sitzen. Sie war auf dem höchsten Punkt der Brücke angekommen, gleich schon würde es wieder nach unten gehen. Keuchend sah sie zu den Wolken auf. Sie verdunkelten den Himmel und verursachten ein seltsames Spiel aus intensivem Licht und schattendem Schwarz, das über die Felsen wanderte. Auch die Brücke zu ihren Füßen war in dieses eigenartige Licht getaucht. In ihrer Betrachtung verloren, entdeckte sie plötzlich etwas Eigenartiges auf einem Stein, das ihr trotz seiner Fremdartigkeit vertraut vorkam. Es waren Zeichungen, Striche, Formationen, die irgend jemand in den schwarzen Fels gegraben hatte. Eine dunkle Erinnerung zerrte an ihr, erreichte beinah die Oberfläche ihres Gedächtnisses, riss sich fast frei. Doch so sehr sich die junge Frau auch bemühte, sie erreichte die Erinnerung nicht, und diese blieb heiß ersehnt, doch verloren, in den Tiefen des Denkens verhangen. Senja konnte sich nicht losreißen von dem Anblick der hellen Striche im Gestein, die so intensiv zu ihr zu sprechen schienen ohne dass sie ihre Sprache verstehen konnte. Erst ein Arm, der an ihrem zerrte und eine wegen dem dröhnenden Wind schreiende Stimme rissen sie aus ihren Gedanken: “He! Ho! will sie auf die Krähen warten, hier? Runen, von grauen Händen im Schatten geschrieben, gemeißelt, sollen die Botin nicht aufhalten. Weiter, Gesandte, weiter, eh die Wolken brechen!” Der Dengeluck stand neben ihr, der Wind peitschte ihm die dunkelgrünen Haare ins Gesicht und seine schwarzen Augen blickten sie voller Besorgnis an. Senja starrte zurück. “Kannst du sie lesen, die Striche, kannst du sie lesen, Dengeluck?”, schrie sie, ohne auf die Aufforderung zu achten. “Nein, kann er nicht, nein, der Dengeluck! Und wenn die Menschin es einmal konnte, dann hat sie es vergessen, verloren, verweht. Weiter, weiter, ho, komm weiter!” Und er drehte sich um und begann, den Weg herunter zu steigen. Senja starrte ihm nach, unfähig, sich über den Gedanken Klarheit zu verschaffen, der in ihr aufkam. “Was weißt du?”, rief sie plötzlich, in den beginnenden Regen hinein, der auf sie fiel. “Was weißt du über mich, wer bist du, warum hilfst du mir, was soll das alles?” Doch er hörte sie nicht oder wollte sie nicht hören. Er kletterte weiter, während der Regen auf die Runen fiel und sie vor ihren Augen verschwammen. Ihr wurde klar, dass sie weitergehen musste, dass das Gewitter nun über ihnen war. Noch einmal heftete sich ihr Blick auf die Zeichnungen im Gestein und sie versuchte, das Bild in ihr Gedächtnis zu graben. Dann stand sie auf und setzte widerwillig ihren Weg fort. Die Steine wurden rutschig im Regen und es war schwieriger als zuvor, einen sicheren Halt zu finden. Mehrmals glitten ihre Füße aus und mit klopfendem Herzen musste sie sie neu auf den Fels setzen. Der Himmel wurde immer dunkler, der Wind riss immer stärker an ihr und versuchte, sie in die Tiefe zu schleudern. Der Dengeluck blieb nun näher bei ihr. Er half ihr, einen sicheren Weg zu finden und rief ihr: “Hoi, hoppla, ja!”, “Joi, gut so!” und andere Ermutigungen zu. Senja wünschte, sie hätte nicht so lange bei den Runen gesessen. Sie wünschte, sie hätte diese Felsbrücke nie betreten oder wäre überhaupt nicht der Nachricht auf dem Pergament gefolgt. Doch schon nach kurzer Zeit hörte sie auf, überhaupt etwas zu denken und konzentrierte sich allein darauf, nicht abzustürzen. Der Himmel begann, Blitze auf die Berge zu schleudern. Der Donner rollte über die Gipfel, der kalte Regen peitschte auf die verzweifelten Wanderer ein. Senja konnte kaum noch die Stimme des Dengelucks hören, wenn er ihr etwas zurief und ihre klammen Finger fanden nur noch schwer Halt auf den harten Felsen. Plötzlich zuckten die beiden Kletternden zusammen, denn ein ohrenbetäubender Donnerschlag brach auf sie nieder und sie sahen, wie ein gleißender Blitz in den höchsten Punkt der Brücke einschlug - dorthin, wo die Runen standen. Senja meinte zu sehen, wie der Fels für einen Moment rot aufglühte, doch es war so kurz, dass sie sich nicht sicher war, das tatsächlich gesehen zu haben. Doch trotz des Blitzeinschlags blieb die Felsbrücke fest und hielt die Wanderer. Senja blickte durch den Regenschleier vor ihren Augen und war froh, nicht mehr dort zu stehen, wo sie gerade diesen furchtbaren Blitz gesehen hatte. Sie stieg weiter. Bald hatte sie jedes Gefühl für Zeit verloren. Ihre Welt beschränkte sich auf den schmalen Fels und den jähen Abgrund, den peitschenden Regen und den reißenden Wind, die Dunkelheit und das plötzliche Aufleuchten der Blitze und ihren Weggefährten, den Dengeluck.

Kaum konnte sie es glauben, als ihr Fuß auf einmal schlammigen Boden betrat. Sie hatten es offenbar geschafft, sie hatten die Brücke überquert. Doch der Dengeluck trieb weiter zur Eile an, er begann, den rutschigen erdigen Pfad emporzusteigen, der vor ihnen lag. Senja folgte ihm. Auch wenn nun keine Schlucht mehr unter ihnen gähnte, waren doch immer noch das Donnergrollen, das Himmelswasser und die schlagenden Blitze um sie. Doch es dauerte nicht lange, da verließ der Dengeluck den Pfad und kletterte über Felsbrocken bis zu einer Höhle. Sie war so klein, dass die beiden nur gerade eben so Platz darin fanden, doch Senja schien sie ein Königspalast zu sein. Kein Regen trommelte mehr auf sie nieder, sie waren vom Wind geschützt und sahen nun erschöpft und gebannt dem Schauspiel zu, das sich ihren Augen bot. Sie konnten auf die schmale Felsbrücke sehen, die sich bei jedem Blitzschlag bizarr von dem dunklen Abgrund abhob. Je nachdem, woher das Licht eines Blitzes kam, schien die Brücke sich zu bewegen, schien fast zu tanzen zur Musik des Donners. Auch wenn Senja wusste, dass ein Blitzeinschlag über ihnen den Eingang der Höhle verschütten konnte, fühlte sie sich nun sicher und geborgen und begann langsam zu begreifen, dass sie gerade diese furchtbare Brücke überquert hatte, die sie da vor sich sah.

Auf einmal meinte der Dengeluck: “Oy, gib mir mal deinen Kittel da, den langen, nutzlosen, hässlichen Menschenkittel da, jo, he!” Verwundert sah ihn Senja an, gab ihm aber ihren Umhang, der, da er nass war, sowieso nicht besonders gut wärmte. Der Dengeluck hiefte ihn hoch, grinste sie kurz an und verschwand in der Dunkelheit des Berges. Senja fragte sich, was er wohl vorhatte, doch schon nach kurzer Zeit war er wieder da und hatte offenbar etwas in den Stoff eingewickelt. In der Höhle schüttete er es aus und Senja sah, dass es Holz war, trockenes Holz. “Hey, Dengeluck, du bist ein Wunder!”, freute sie sich. “Oy, ey, die Senja weiß gar noch nicht, was für ein Wunder, hi, hihii! Holz und Hölzchen, Stein und Blitzchen, und dem Dengeluck sein Köpfchen, uiuioi, ... “ summte er vor sich hin, während er mit Senjas Hilfe das Holz für ein Lagerfeuer aufschichtete. “Und wie willst du das jetzt anzünden?” fragte Senja. “Oooh, nee, keine Ahnung hat sie, die Senja, von dem Dengeluck, von dem Genie, ui, hihii, dem Genie, ho, ha, hee, ...” sang er fröhlich weiter, nahm einen Ast und ging wieder in das Gewitter hinaus. Es dauerte nicht lange, bis er wieder da war und der Ast in seiner Hand trotz dem strömenden Regen mit einer hellen Flamme brannte. Er steckte den Ast unter die anderen, die schon bald Feuer fingen und mit lustigen Flammen die kleine Höhle wärmten. Senja fragte nicht, wie er den Ast zum Brennen gebracht hatte. Vielleicht hatte der Blitz in einen Busch eingeschlagen, der nun brannte. Auch wenn sie sich das aufgrund des Regens nur schwer vorstellen konnte. Es war ihr aber auch egal, sie war zufrieden damit, ein Feuer zu haben und war dem kleinen Wesen, das da vor sich hin summte, dankbar dafür. “So, na, und jetzt, he, wo kriegen wir jetzt was zu Essen her, he, Menschenkind, ha? Oder sollen wir vielleicht Steine essen, oder wie hat sie sich das gedacht, na, eh?” fragte der Dengeluck plötzlich. Senja wusste inzwischen dass er sie nur ärgern wollte und gab ausgelassen zurück: “Du bist hier der Begführer, he, ha! Ich möchte jetzt gerne einen Erdbeerkuchen, so wie den heute morgen, aber frisch bitte. Und vergiss bloß nicht den Vanillepudding unter den Erdbeeren, ohne den fange ich erst gar nicht an zu essen, ja, he?” Der Dengeluck lachte. “Wie, was, nur weil sie auf einer kleinen Brücke gehüpft ist, glaubt sie jetzt, sie könne Befehle geben oder wie, oder was, eh? Joo, hehe, nee nee Erdbeerkuchen gibts nicht, den kann sie sich aus dem Kopf schlagen, kann sie. Aber wenn sie ganz lieb ist, kriegt sie vielleicht was von Dengelucks Notreserven ab.” sprach er und präsentierte ihr breit grinsend ein Stück geräucherten Schinken, das er unter seinem Hemd hervorgezaubert hatte. Senja, die nun plötzlich ein großes Loch in ihrem Magen spürte, rief: “Oh, mögen alle Erdbeerkuchen des Landes deinen Essenstisch bevölkern! Na, zumindest wenn ich auch was davon abkriege. Her mit dem Schinken!” Und zusammen begannen sie, ihre Mägen mit köstlichem Schinken zu füllen.

2 comentarios:

pikarl dijo...

boaarr, voll spannend!!! dann bin ich jetzt wohl dran...

Hannah dijo...

ja, jetzt bist du dran!!