domingo, 20 de mayo de 2007

Kapitel 8

hr Magen schien in einen tiefen Abgrund abzusacken, während ihr Herz panisch zu rasen begann. Ihr Verstand weigerte sich, zu glauben was sie spürte. Wieder und wieder betastete sie ihre Wange, so als hoffe sie, die Narbe würde verschwinden, wenn sie ihr Gesicht nur genau genug untersuchte. Es waren nicht die Spuren einer frischen Wunde, die sie da spürte. Es war die Narbe, die bleibt, nachdem die Wunde längst verheilt ist. Welche Magie war hier im Spiel? Wie war das möglich? Sie hatte also nicht geträumt – aber wenn das letzte Nacht kein Albtraum gewesen war – was war es dann? Gehetzt blickte sie um sich, darauf gefasst, irgendwo den Mann in der grauen Kutte zu sehen, rote Augen, die sich in ihre bohrten, direkt in ihr Herz hinein. Doch sie stand alleine auf dem Bergpfad in der Sonne, und das einzige Geräusch neben dem Plätschern des Baches und dem Zwitschern der Vögel war das Pochen ihres eigenen Herzes, das in ihren Ohren wiederhallte. Senja setzte sich auf einen Stein neben dem Bach und versuchte, sich zu beruhigen, einen klaren Gedanken zu fassen. Mehr als je zuvor wünschte sie, weiter in ihr Gedächtnis blicken zu können. Was hatte das alles zu bedeuten? Offenbar hatte sie Feinde, die über die ohnehin schon vielzähligen Gefahren ihres Weges hinausgingen. Leute, die verhindern wollten, dass sie Landomar ihre Botschaft überbrachte. Hatte Senja am Anfang noch daran gezweifelt, ob diese Nachricht echt war, ob es die richtige Entscheidung war, sie zu überbringen – ihr Albtraum, der kein Traum gewesen war, gab ihr nun endgültig Gewissheit: Diese Aufgabe, die sie erfüllen musste, war wirklich wichtig! Die schreckliche Überquerung der Felsbrücke kam ihr in den Sinn – Botin, Gesandte hatte der Dengeluck sie genannt. Auch der Dengeluck wusste von ihrem Auftrag, dessen war sie sich sicher. Warum nur hatte er ihr nicht mehr gesagt? Warum war er der Frage ausgewichen, was er über sie wusste? Nun, dafür war es jetzt zu spät. Der Dengeluck war wohl längst wieder zu Hause bei seiner Hongela und aß Erdbeerkuchen…

Ein Gefühl tiefer Verlassenheit breitete sich in ihr aus und schien einen Schatten über die strahlende Sonne zu legen. Ohne ein anderes Wesen, das ihr Mut zusprach und Ratschläge gab, überkam sie die Mutlosigkeit. Wie sollte sie, eine Frau, die nichts besaß, noch nicht einmal ihre eigene Erinnerung, gegen die vielen dunklen Mächte bestehen? War nicht alles sinnlos und ihr Vorhaben von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Doch da regte sich ein anderer Teil in ihr. Eine Senja, die trotzig das Kinn vorstreckte und nicht zuließ, dass die Wellen der Verzweiflung über ihr zusammenschlugen. Schließlich war sie – von wem auch immer – dafür ausgewählt worden, die Nachricht zu überbringen! Sie war doch schon so weit gekommen und hatte sogar die Felsbrücke überquert. - Ohne den Dengeluck hättest du das nie geschafft, wisperte eine verzagte Stimme in ihr, doch die neue, mutige Senja brachte sie zum Schweigen. Die Aufgabe, die man ihr auferlegt hatte, war einfach zu wichtig, um jetzt den Kopf in den Sand zu stecken! Entschlossen stand Senja auf und richtete den Blick nach vorn. In diesem alten Wald ... du wirst ihm nicht entgehen ... diesmal nicht. Ruhig und unschuldig lag das Meer an Bäumen vor ihr. Welche Gefahren lauerten in ihrem dunklen Schatten? Nun, sie würde es herausfinden… Festen Schrittes setzte sie ihren Weg fort.

Die Sonne hatte den Zenit gerade überschritten, als sie am Rande des Waldes ankam. Sie zögerte einen Moment. Bemooste Baumstämme standen dicht an dicht, und nur dumpfes Dämmerlicht durchdrang das dichte Blätterdach. Der Pfad führte mitten hinein in dieses grüne Labyrinth und verschwand nach einigen Metern zwischen der Vegetation. Senja blickte ein letztes Mal auf den blauen, freien Himmel, atmete tief durch und betrat dann den Wald. Sofort spürte sie eine neue Anspannung, die sie nicht gehabt hatte, als sie noch unter freiem Himmel voranschritt. Ihre Ohren lauschten auf bedrohliche Geräusche und ihre Augen versuchten, das fahle Dämmerlicht auf der Suche nach gefährlichen Wesen zu durchdringen. In der Nähe des Pfades hörte sie weiterhin das Plätschern des Baches, der ihren Weg wie ein treuer Gefährte begleitete. Abgesehen von dem Krächzen eines Raben und einer Maus, die laut raschelnd im Gebüsch verschwand und Senja erschrocken zusammenzucken ließen, lag der Wald jedoch ruhig da und behelligte die junge Frau nicht, die immer weiter in sein Inneres vordrang. Ein moosiger, schwerer Geruch lag in der Luft, die sich kühl und feucht auf die Haut legte. Senja verlor jedes Gefühl der Zeit, wie sie so durch die fremdartige Dämmerwelt schritt. Einmal machte sie Halt, um einige Nüsse und Beeren zu essen, die sie erkannt hatte. Ihre anfangs gespannte Aufmerksamkeit wich nach und nach der Leere, die die Gleichförmigkeit des Wanderns mit sich bringt.

Erst als das Dämmerlicht langsam aber unaufhaltsam der Dunkelheit zu weichen begann, machte Senja sich wieder Gedanken. Sie brauchte einen geschützten Ort, wo sie die Nacht verbringen konnte. Wie sehr vermisste sie jetzt die Fündigkeit des Dengeluck mit seinen komfortablen Gästehöhlen! Auf eine Höhle konnte sie hier mitten im Wald wohl kaum hoffen. Aber vielleicht einen Unterschlupf im Gehölz… Suchend um sich blickend verlangsamte Senja ihren Schritt, doch weit und breit konnte sie nichts Geeignetes entdecken. Abseits des Weges wären ihre Chancen wohl größer, doch sie wagte nicht, ihn zu verlassen aus Angst, sich im Gebüsch zu verirren. Immer schneller legte sich die Dunkelheit über den Wald und immer verzweifelter durchforstete Senjas Blick ihre Umgebung, die sie mittlerweile nur noch mühsam erkennen konnte. Als sie gerade versuchte, sich auf eine Nacht im Freien einzustellen, entdeckte sie ihn. Ein Baum, größer und älter wohl als die anderen, ragte er hoch neben dem Pfad auf, sein Wipfel verborgen im Grau-Schwarz der hereinbrechenden Nacht. Selbst drei Mann hätten Mühe, den wuchtigen Stamm zu umfassen, dessen rauhe wulstige Rinde an die unzähligen Falten erinnerte, die das Schicksal in die Gesichter der Alten gegraben hat. Wie ineinander verschlungene Riesenschlangen breitete sich das mächtige Wurzelwerk in alle Richtungen aus – und schien an einer Stelle eine Art Dach zu bilden. Von Erleichterung und andächtigem Staunen für dieses Wunder der Natur erfüllt näherte sich Senja vorsichtig dieser Öffnung und kroch hinein. Hatte sie zunächst eine Art kleinen Unterschlupf erwartet, so hatte sie sich getäuscht: Es war wirklich eine Höhle, die sich ein ganzes Stück fortsetzte und unter den Baumstamm führte, wo sie einen gewölbten Raum bildete, den sie nur noch schwach im schwindenden Licht ausmachen konnte. Senja rollte sich in einem Eck zusammen, doch trotz der Müdigkeit in ihren Gliedern viel es ihr schwer, Schlaf zu finden. Zum einen nagte der Hunger in ihr, doch das war nicht der Hauptgrund. Sie hatte Angst. Angst davor, einzuschlafen, Angst davor, wieder in diesen Traum zu geraten, der keiner war, Angst vor den unbegreiflichen Dingen, die mit ihr geschehen könnten.

„Ahhhh!“ Mit einem Aufschrei fuhr Senja hoch. Sie war wohl doch irgendwann eingeschlafen, doch etwas hatte sie jäh aufgeschreckt. Irgend etwas war auf sie gefallen! Mit aufgerissenen Augen starrte sie auf ihren Bauch. Ein Paar schimmernder schwarzer Knopfaugen starrte nicht minder erschrocken zurück, zwei spitze, in einem braunen Fellbuschel auslaufende Ohren aufmerksam aufgestellt, der buschige, lange Schwanz nervös zuckend. Winzige Krallen klammerten sich an Senjas Kittel fest, der kleine Körper zitterte im Rhythmus des rasend klopfenden Herzen. Beinahe hätte Senja wieder aufgeschrien, diesmal vor Erleichterung, doch sie hielt sich gerade noch zurück. Sie wollte dieses kleine Eichhörnchen nicht noch mehr erschrecken! Stattdessen begann sie, beruhigend auf es einzureden. „Wo kommst denn du her, du kleines Ding, wohnst du hier? Du brauchst nicht so zu zittern, ich tu dir doch nichts!“ Langsam hob sie die Hand, um über das weiche Fell zu streichen, doch das Eichhörnchen zuckt zusammen und huschte fort – allerdings nur einen Meter, um aus diesem sicheren Abstand Senja ausführlich zu begutachten. Bis auf einen weißen Fleck am Bauch hatte das Tier ein rötlich braunes Fell und der neue Ausdruck, den seine Augen nun annahmen, war ganz offensichtlich Neugier. „Du bist ja wirklich putzig, ich würde dir gerne ein paar Nüsse geben, aber ich hab selber nichts zu essen. Außerdem ist es schon hell, ich muss weiter, denn ich muss Landomar meine Nachricht überbringen. Leb also wohl, und hüte dich vor dem bösen Fuchs!“ Damit richtete Senja sich auf und kroch am Eichhörnchen vorbei aus der Höhle. Doch irgendetwas ihrer Worte hatte das Tier verstanden – zumindest war das die einzige Erklärung für sein plötzlich ganz und gar untierisches Verhalten: Es schoss hinter Senja aus der Höhle, rannte aufgewühlt einmal um sie herum, kletterte behende an ihrer Hose hoch um gleich darauf am anderen Bein wieder herunterzuhuschen und gab dabei erregte Fiepslaute von sich. Perplex blieb Senja stehen – was hatte das nun schon wieder zu bedeuten? Jetzt war das Tier vor ihr stehengeblieben. Doch was machte es da mit seinem Schwanz? Der zuckte auf dem Boden hin und her, wischte Äste beiseite und malte etwas in den erdigen Boden. Senja hielt den Atem an und beugte sich nach unten. Was da vor ihren Augen entstand, unsauber zwar, doch unverkennbar, war die Abfolge von Runen. Runen, die sie schon einmal gesehen hatte – bevor der Blitz sie zerstörte.

3 comentarios:

pikarl dijo...

... und du hast gesagt, dein beitrag wäre nicht spannend. ;-)

Hannah dijo...

Ay cool! So langsam wirds echt total spannend mit der Senja :) Ueberhaupt der ganze Wald, der schwarze Mann, und das Eichhoernchen :D

Christine dijo...

Na dann schreib mal schön spannend weiter, Hannah!